Muss ein Zeuge aussagen?

„Mit der Polizei muss niemand reden.“ – so drastisch drückte es einmal ein bekannter Berufskollege aus. Ganz so einfach ist es mittlerweile leider nicht mehr.

Für die Frage, ob ein Zeuge aussagen muss, kommt es zunächst darauf an, wer ihn vernimmt. Einer Vorladung durch die Polizei muss ein Zeuge normalerweise nicht Folge leisten! Wird der Zeuge direkt befragt, zum Beispiel telefonisch oder an der Wohnungstür, kann er der Polizei gegenüber die Aussage verweigern. Er muss lediglich Angaben zu seinen Personalien, seinem Beruf und seiner Wohnanschrift machen. Dass man als Zeuge gegenüber der Polizei die Aussage normalerweise verweigern darf, bedeutet natürlich nicht, dass es immer sinnvoll ist, von diesem Recht Gebrauch zu machen.

Im Jahr 2017 wurde eine Änderung in die Strafprozessordnung eingeführt. Zeugen sind nun verpflichtet, bei der Polizei zu erscheinen und auszusagen, wenn die Staatsanwaltschaft die Polizei damit beauftragt hat. Das gleiche gilt auch dann, wenn ein Zeuge direkt von der Staatsanwaltschaft oder vom Ermittlungsrichter geladen wird. Einer solchen Ladung muss ebenfalls Folge geleistet werden.

Auch hier kann der Zeuge jedoch ein Zeugnisverweigerungsrecht oder Auskunftsverweigerungsrecht haben. Das Zeugnisverweigerungsrecht führt dazu, dass der Zeuge gar keine Angaben machen muss. Es steht zum Beispiel Verlobten des Beschuldigten, Ehegatten, Lebenspartnern, bestimmten Verwandten und den Angehörigen bestimmter Berufe (zum Beispiel Ärzten oder Rechtsanwälten) zu. Das Auskunftsverweigerungsrecht ist das Recht, solche Aussagen zu verweigern, die dazu führen, dass der Zeuge oder eine ihm nahestehende Person (Verlobte, Ehepartner, Lebenspartner und nahe Verwandte) wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

Die Vernehmungsperson muss den Zeugen über sein Zeugnisverweigerungsrecht und sein Auskunftsverweigerungsrecht belehren.

Auch Zeugen haben das Recht, einen Anwalt zurate zu ziehen. Ist der Zeuge zugleich Opfer einer schweren Straftat, zum Beispiel einer schweren Körperverletzung, können die Kosten für die Beratung durch den Anwalt übernommen werden. Auch in anderen Fällen kommt unter bestimmten Voraussetzungen eine kostenlose Rechtsberatung des Zeugen in Betracht. Ob eine solche Möglichkeit für sie besteht, klären wir in einem ersten unverbindlichen Vorgespräch.